Biographie Rudolf Dreikurs

Er begann seine Laufbahn in Wien als Psychiater und steht in der Tradition der von Alfred Adler begründeten Individualpsychologie, die heute einen wichtigen Teil der psychoanalytischen Theorie, der Psychotherapie sowie der Theorie und Praxis von Ehe- und Paarberatungen und besonders der Erziehungsberatung bildet.

Dreikurs studierte in Wien Medizin, lernte dort Alfred Adler kennen und war beeindruckt davon, wie Adler die Erfahrungen aus Psychiatrie und Psychotherapie für die Erziehung nutzbar machte und wie er die soziale Frage in seine Lehre einbezog. Nach Studium und Promotion widmete sich Dreikurs den Fragen der sozialen und geistigen Hygiene und begann um 1930 intensiv an individualpsychologischen Projekten im Rahmen der ärztlichen Arbeitsgemeinschaft mitzuarbeiten. 1932 erschien sein erstes Buch Das nervöse Symptom.

1937 musste Dreikurs wegen des Nationalsozialismus in die USA emigrieren. (Sein 1933 verfasstes Buch Einführung in die Individualpsychologie wurde zensiert und erschien erst wieder 1969 unter dem Titel Grundbegriffe der Individualpsychologie.) In den USA gründete er das American Journal of Individual Psychology und war Herausgeber der Individual Psychology News und des Individual Psychology Bulletin. Er wurde durch seine zahlreichen, allgemeinverständlichen Bücher insbesondere zur Lehrerausbildung weit über die USA hinaus bekannt. Er setzte die Wiener Tradition der Verbindung von Neurosenprophylaxe und Lehrerfortbildung fort. Dies nach dem Motto: Vorbeugen ist besser als heilen.

Sein Werk

Prof. Dreikurs stützt sich auf die Individualpsychologie Adlers. Zwischen 1911 und 1937 entwickelte Prof. Adler seine Persönlichkeitstheorie, die in folgenden Sätzen kurz zu umreißen ist:

(1) Die Individualpsychologie sieht den Menschen als eine unteilbare Einheit (in-dividual=unteilbar).

(2) Sie betont die Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen für seelische und körperliche Entwicklung des Menschen.

(3)Menschliches Leben in allen Entwicklungsphasen wird im Spannungsfeld zwischen Bewusstem und Unbewusstem als auch zwischen Individuum und Gesellschaft (Familie, Schule, Arbeitsstätte etc.) erlebt und gestaltet.

R. Dreikurs gründete das Alfred Adler Institute in Chicago, welches heute Universitätsstatus besitzt. Auf der Grundlage der Individualpsychologie entwickelte er eine eigene psychotherapeutische Schule, die Teleoanalyse. Mit Teleoanalyse ist ein Verfahren gemeint, dem Menschen seine unbewussten Ziele sich und der Gemeinschaft gegenüber bewusst zu machen. Pädagogik und Therapie setzten darauf, in den Zielen die nützlichen und unnützlichen Seiten erfahrbar zu machen. In einfühlsamen Ermutigungsprozessen soll die Person den Weg auf die nützliche Seite im Hinblick auf Gemeinschaft finden: vom Ichbezug zur Sachlichkeit und zur Gemeinschaft.

Ab 1962 führte R. Dreikurs regelmäßig internationale Ferienkurse (ICASSI) für individualpsychologisch interessierte Lehrer, Ärzte, Psychologen und andere Berufe ein.

So wendet sich ICASSI an Menschen in erziehenden, bildenden, pflegenden, heilenden und führenden Tätigkeiten. Ihr universitärer Standard führt dazu, dass Vorlesungen und Seminare von Instituten und Universitäten im In- und Ausland anerkannt werden. Neben den Fachleuten in den verschiedenen Berufsfeldern nimmt ICASSI die Erziehungspraxis von Eltern sehr ernst und sieht sie als kompetente Partner. So sind Eltern und Familien gern gesehene Teilnehmer. Icassi Webseite

In den Schriften von R. Dreikurs finden wir Einsichten, die er im Laufe seiner langjährigen Tätigkeit als Psychotherapeut gewonnen hat. Er half Eltern dabei, die individuelle Denkweise und die Absichten ihrer Kinder zu verstehen und Methoden der logischen und natürlichen Folge anstelle von Belohnung und Strafe anzuwenden. Er zeigt Eltern, wie sie ihre Kinder ermutigen können und wie nutzlos viele traditionelle Erziehungsmethoden sind, die die Kinder entmutigen. Als Paartherapeut half er Frauen und Männern, deren Ehen unerfüllt geblieben waren, sich gegenseitig besser zu verstehen und zu achten. Dreikurs war auch als Berater für Organisationen tätig und zeigt, wie Demokratie Schritt für Schritt in die Praxis umgesetzt werden kann und wie sich demokratische von anarchischen und autokratischen Konzepten, von denen man schon im Vorfeld wissen kann, dass sie nicht funktionieren, unterscheiden. In seiner Arbeit als Psychiater und in seinen Schriften zeigte er sich als Lehrer, der es verstand, wichtige Schlüsselkonzepte und – methoden zu erläutern, die für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen unabdingbar sind und an die Stelle von leidvollen und entmutigenden Beziehungen treten können.

Ermutigung

Die Ermutigung, bzw. die Erziehung zum Mut (Adler 1927i; 1982a, S.189ff.) ist ein Schlüsselbegriff in den Lehren von Rudolph Dreikurs und der Individualpsychologie. Ermutigung zielt darauf ab, gegengerichtet zur Entmutigung, dem Gegenüber seine „Furcht vor einem Misserfolg “ (Adler 1930n; 1982b, S.29) zu nehmen, und „ihn erleben zu lassen, dass er sein Selbstwertgefühl nicht durch Streben nach Überlegenheit über andere aufrechterhalten muss, sondern sich unbeschadet auf Gleichwertigkeitsbeziehungen mit allen Menschen einlassen darf.“ (Wörterbuch der Individualpsychologie, S. 339ff.) Zur Ermutigung können Erzieher und Therapeuten nur Anlass geben, die Ermutigung selbst kann sich jeder nur selbst verschaffen, d.h. Ermutigung ist nichts, was jemand an einem anderen machen, sondern etwas, was jener zulassen muss.

Dreikurs sieht deshalb in der Ermutigung eine Kunst, die nicht auf mechanische Art gelernt werden kann, „denn sie besteht aus mehr als einer einzelnen Handlung und drückt die ganze gegenseitige Beziehung zwischen Personen aus (…). Es kommt nicht darauf an, was man sagt oder tut, sondern wie es getan wird“ (1967, S.76)

Rudolf Dreikurs hat wie kein anderer aus der Individualpsychologie eine Ermutigungspraxis hergeleitet. Die professionelle Ausrichtung mit Kindern, Jugendlichen, PädagoInnen und Eltern zu unterstützen, Ihnen zu helfen Konflikte und Möglichkeiten für eine Lösung zu bearbeiten, haben durchaus immer auch eine humorvolle Seite. (Beispiel) „Kinder zu verstehen, sie zu beeinflussen und ihre Fehler zu verbessern, erfordert Einsicht in die Entwicklung der Persönlichkeit, denn von unseren Ansichten über die menschliche Natur und besonders von unseren Vorstellungen darüber, wie Kinder wachsen und zu dem werden, was sie sind, wird unser Verhalten ihnen gegenüber bestimmt sein…“ Dreikurs zeigt: Nicht nur die Wertschätzung und Ermutigung von Kindern ist wichtig, auch Erwachsene brauchen Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein. Denn beide, Eltern und Kinder, leben von Ermutigung. Inspirationen für einen respektvollen Umgang und Impulse für eine gute Atmosphäre im Miteinander der Familie.
(Rudolf Dreikurs, Ermutigung an jedem Tag, Zuversicht für Eltern und Kinder.)

Die vier Grundbedürfnisse des Kindes

In seinem Buch: „Lehrer und Schüler lösen Disziplin Probleme“, zeigt Dreikurs die grundlegenden Bedürfnisse von Kindern auf. Deren Kenntnis ermöglicht den Erwachsenen die Ziele des Handeln von Kindern zu erkennen. Werden wir dem Kind in seiner "Arbeit an sich selbst " nicht gerecht, dann fühlt es sich nicht verstanden und zeigt dies in seinem Verhalten auf. Es tut scheinbar unsinnige Dinge. Wir Erwachsenen sagen dann: "Warum tust Du das? Ich verstehe nicht was das soll?" Wir haben dann überwältigende Gefühle und verlieren auch oft die Geduld.

Die Eigenschaften, die ein Lehrer (Eltern) am meisten braucht, sind Mut und Selbstvertrauen, die Bereitschaft dazu zu stehen, dass er ein Mensch ist, der Fehler machen kann, aber zugleich eine unglaubliche Kraft und Fähigkeit besitzt, das Leben zu verändern.
R. Dreikurs

Der Adler Schüler Rudolf Dreikurs hat die Beratungsarbeit  für Eltern und Lehrer von Adler in den späten Sechzigern modifiziert. Er sieht, wie Adler, das Kind als ein soziales Wesen, das seinen Platz zu Hause, in der Schule und in der Welt finden will. Das Verhalten von Kindern können wir nur verstehen, wenn wir seinen Zweck kennen.

Die Ziele kindlichen Verhaltens beruhen auf vier Grundbedürfnissen

  1. Kinder haben das Bedürfnis dazuzugehören, ein Teil der Gemeinschaft zu sein. Sie benötigen hierfür stetigen Kontakt zu ihren Mitmenschen.
  2. Kinder brauchen das Gefühl geliebt und angenommen zu werden, einen  Platz in der Gemeinschaft, Sicherheit und Geborgenheit zu finden. Dies ermöglicht ihnen mutig zu sein und Misserfolge verkraften zu können.
  3. Kinder benötigen das Gefühl, unabhängig von ihren Taten, ein wertvolles Mitglied dieser Gemeinschaft (Familie) zu sein, sich durch etwas positives von den anderen zu unterscheiden.
  4. Kinder bedürfen des Gefühls, fähig zu sein, selbsttätig einen eigenen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten und dass dieser Beitrag anerkannt wird.

Jedes Verhalten ist zielgerichtet, es zeigt die Mittel und Wege, mit denen jedes Kind zum Ausdruck bringt, wie es für sich entdeckt hat, Ansehen und Bedeutung zu gewinnen. Das Kind entscheidet was es tun will, obgleich es sich darüber nicht bewusst ist, dass es eine Entscheidung getroffen hat und dass es seine Entscheidung ändern kann. Wenn Kinder die Erfüllung ihrer sozialen Grundbedürfnisse nicht spüren können, versuchen sie mit "allen Mitteln", also auch mit unerwünschten Verhaltensweisen, diese Ziele zu erreichen.

 

Literatur

  • Dinkmeyer, Don u. Dreikurs, Rudolf: Ermutigung als Lernhilfe, Klett, 1970.
  • Dreikurs, Rudolf u. Soltz: Kinder fordern uns heraus, Stuttgart, Klett 1966.
  • Dreikurs, Rudolf: Soziale Gleichwertigkeit. Die Forderung unserer Zeit. Stuttgart Klett,1972.
  • Dreikurs, Rudolf u.a.: Lehrer und Schüler lösen Disziplinprobleme. Beltz 1989.
  • Dreikurs, Rudolf u.a.: Psychologie im Klassenzimmer. Stuttgart 1967/ Klett 1989.

monaddrei

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